Die herausjagende Hundeschule

Krieg der Hundehalter

Es vergeht kein Tag, an dem nicht mindestens eine Meldung von unverschämten und rücksichtslosen Hundehaltern die Runde macht.

Die sozialen Medien sind voll von Alltagsgeschichten von gefrusteten und entsetzten Hundehaltern, die von anderen Hundehaltern terrorisiert, beschimpft und auch körperlich angegangen werden.

Auch ich erlebe dies selbst fast täglich mit meinen eigenen Hunden und bekomme es regelmäßig von meinen Kunden berichtet.

Was für ein Film läuft hier eigentlich? Als Titel würde jeden-falls „Krieg der Hundehalter“ gut passen, um den Eindruck dessen zu beschreiben, was hier auf den Straßen Berlins und rundum Berlin unter Hundehaltern so los ist.

In meinen Kursen in der Hundeschule erzähle ich den Hundehalterinnen und -haltern immer wieder von Rücksichtnahme, vorausschauendem Denken und Handeln sowie unserer Vorbildfunktion als Hundehalter. Dabei beeindruckt mich immer wieder, wie ernst es meine Kundinnen und Kunden mit diesen Themen nehmen. Und wie einfach doch der Alltag wäre, wenn sich alle nur an ein paar einfache grundlegende Regeln halten würden.

Aber ich werde auch oft gefragt: Warum nehmen andere Hundehalter keine Rücksicht auf uns? Warum muss ich mich ständig rechtfertigen, wenn ich meinen Hund an die Leine nehme oder an der Leine lasse? Warum werde ich als rücksichtsvoller Hundehalter von anderen Hundehaltern beschimpft, wenn ich diese bitte, ihren Hund nicht an meinen zu lassen? Die Liste der Fragen würde wohl mehrere Seiten füllen.

An diesem Punkt kann ich meinen Kunden leider nicht helfen. Denn auf diese Fragen habe ich unglücklicherweise keine passende Antwort. Außer, dass diese anderen Hundehalter gleichermaßen unfähig wie rücksichtslos sind.

Ein Beispiel unter so vielen: Da möchte man einfach nur mit seinen zwei Hunden einen schönen und entspannten Spaziergang machen, und dann entwickelt sich dieser zu einem Spießrutenlauf mit Beleidigungen und Beschimpfungen.

Eine verantwortungsvolle Hundehalterin mit zwei gut ausgebildeten Hunden wollte an einem wunderschönen Abend eine wunderschöne entspannte Runde mit ihren Hunden laufen. Beide Hunde liefen frei, sofern denn die Umgebung und Situation den Freilauf zuließ. Bei nahenden Joggern, Spaziergängern oder Radfahrern wurden die Hunde rechtzeitig herangerufen, ins Platz gelegt oder im Fuß vorbeigeführt. So, wie es sich gehört, möchte man meinen, denn die Hundehalterin ist sich stets bewusst, dass sie kein Recht hat, ihre Umwelt mit ihren Hunden zu belästigen - egal in welcher Form auch immer. Die meisten Spaziergänger, Jogger und Radfahrer bedanken sich bei der Hundeführerin und manche bemerken auch den guten Gehorsam ihrer Hunde. Die Hundehalterin bedankt sich und erwidert erfreut, dass es doch eine Selbstverständlichkeit sei, Rücksicht zu nehmen.

Eine Weile später nähern sich drei Spaziergänger mit einem freilaufenden kleineren Hund. Die verantwortungsvolle Hundehalterin pfeift ihre zwei Hunde heran und leint diese vorsorglich an. Man weiß ja nie, welche Sorte Hund auf einem zukommt. Zumal einer ihrer Hunde keine kleinen aufgeregten und aufdringlichen Hunde mag. Soweit so gut. Mit den zwei angeleinten Hunden näherte sich die verantwortungsvolle Hundehalterin also dieser Gruppe und dem noch immer freilaufenden Hund, der sich inzwischen schon ebenso zielstrebig wie hörbar schnaufend in Bewegung setzte. Von den Besitzern keine Reaktion, den kleinen Hund zurückzurufen. Die verantwortungsvolle Hundehalterin ruft die Gruppe an, sie mögen doch bitte ihren Hund zu sich nehmen. Keine Reaktion. Kleiner Hund kommt mit kurzem Atem und großem Ego (und Herrchen ebenso – wie der Hund, so der Herr!) auf die angeleinten Hunde zu. Einer der angeleinten Hunde reagiert mit Anspannung, weshalb die verantwortungsvolle Hundehalterin diesen an der Halsung fasst, um allem vorzubeugen. Auf die nochmalige Bitte, den kleinen Hund wegzuholen, eskaliert die Situation: „Wieso denn, sind deene so aggro? Dit machen die Hunde schon unter sich aus. Lasse doch loofn.“. Die verantwortungsvolle Hundehalterin entgegnet, dass ihre Hunde nichts mit anderen Hunden auszumachen hätten, während sie im gleichen Atemzug den kleinen Hund mit dem Fuß abwehrt. Ihre Hunde hat sie dabei fest im Griff, und diese folgen ihren Anweisungen. Der kleine Hund fegt herum, giftet, knurrt. Eine erneute Abwehr mit dem Fuß. „Ey, du alte Pissnelke, trittst du meen Hund, kannste dir paar Schellen abholen. Wat bist du denn für ne Olle mit de aggressiven Tölen?“.
Hä, was? Die verantwortungsvolle Hundehalterin glaubt es nicht. Dreht und wendet sich, wehrt den kleinen Hund ab, ihre eigenen Hunde hinter sich haltend. „Sagen Sie mal, sind Sie nicht in der Lage, ihren Hund zu sich zu rufen. Ich möchte keinen Kontakt und Ihr Hund belästigt und bedroht mich und meine Hunde. Holen Sie bitte Ihren Hund zu sich.“
„Wat willste denn machen? Meen Hund kann machen wat er will. Und wennste Ahnung hättest, dann lässte deine einfach loofn. Dit kann er schon ab.“.
„Das ist echt traurig, dass Sie, als gestandener Kerl, einen so kleinen Hund nicht im Griff haben. Das tut mir echt leid, dass Ihr kleiner Hund Ihnen jegliche Kompetenz als Hundeführer abspricht und keine souveräne Führung erfährt. Armer Hund, und kein Wunder, dass er sich so asozial benimmt.“ Und im Nu steht der Hundehalter mit kurzem Atem und großem Ego der verantwortungsvollen Hundehalterin so direkt vorm Gesicht, dass diese seinen Atem spürt. Zum Glück zieht ihn seine Begleiterin zur Seite, um besänftigend auf ihn einzuwirken.

Wie wäre die Geschichte wohl ausgegangen, wäre diese Begleiterin nicht zugegen gewesen?

Solche und ähnliche Geschichten, leider auch übergriffige Hunde und deren Halter/innen, erleben rücksichtsvolle Hundehalter jeden Tag auf ihren Spaziergängen. Warum ist das so?

Das Leben der Hundehalter ist in der Stadt eh schon mit vielen Unleidlichkeiten bespickt. Müssen wir es uns untereinander noch schwerer machen?

Warum ist es so schwer, den Hund nicht sofort auf andere Hunde zu rennen zu lassen und erst einmal nachfragen, ob dies erwünscht ist? Und wenn nicht, einfach den Hund zu nehmen und mit einem freundlichen Gruß vorbeizugehen.

Ich muss es, verdammt noch mal, nicht begründen oder rechtfertigen, warum ich meine Hunde an der Leine führe, warum ich in diesem Moment keinen Kontakt zu fremden Hunden wünsche.
Nein heißt nein. Und der angeleinte Hund sollte ein hinreichendes Signal für andere Hundehalter sein.

Ein Hund an der Leine ist für andere Hunde tabu. Egal warum, wieso, weshalb, das geht niemanden etwas an. Es ist einfach so und es ist mein Recht nicht belästigt zu werden!
Es kann nicht sein, dass ich mir andere Hunde vom Leib halten muss, weil die Unfähigkeit des Besitzers zum Himmel schreit.

Und nur, weil ich als Hundehalter ein Hundefreund bin, bin ich noch lange kein Freund davon, von anderen Hunden und ihren Besitzern belästigt zu werden.

Und nur, weil ich Hundesteuer zahle, habe ich noch lange nicht das Recht, mich als Hundehalter/in aufzuführen, als hätte ich jegliches Recht gepachtet meine Umwelt mit meinem Hund zu terrorisieren und so zu tun, als wäre ich der/die perfekte Hundehalter/in und alles wäre ja so toll und artgerecht. Was ist an asozialem Verhalten artgerecht?

Wer darüber noch nicht nachgedacht hat und sich eventuell von der obigen Geschichte angesprochen fühlt: Übernehmt bitte Verantwortung und lernt, euren Hund zu führen.

Und an alle anderen verantwortungsvollen Hundehalter: Haltet durch und gebt bitte nicht eure Vorbildfunktion auf. Ich ziehe vor allen von euch den Hut und bedanke mich schon einmal vorab, falls wir uns einmal begegnen sollten.

Danke für eure Mühe und Arbeit, die ihr euch mit euren Hunden macht, um diese sozial- und umweltverträglich zu führen.

In diesem Sinne wünsche ich uns Hundehaltern einfach nur ein friedliches Miteinander. 
Seid fair, rücksichts- und verantwortungsvoll - nicht nur gegenüber eurem eigenen Hund.

 

©Marlies Rehmisch, 11.02.2019, www.jagdtiv.de